Russland hat bereits Hyperschallrakete in Dienst gestellt, China hat wahrscheinlich eine erste solche Waffe getestet, der Westen ist um Jahre im Rückstand. Aber warum gibt es diese gefährlichen Waffen überhaupt? Das erfährt der Spiegel-Leser nicht.

Da ich derzeit mit der Arbeit an meinem Buch über die Netzwerke hinter der Pandemie sehr ausgelastet bin, komme ich kaum dazu, auch noch Artikel zu schreiben. Sollten Sie noch nicht mitbekommen haben, worum es bei dem Buch geht, lesen Sie zunächst diesen Artikel und dann diesen Artikel, die Reihenfolge ist wichtig, weil sie aufeinander aufbauen.

Normalerweise hätte ich auf die dreisten Lügen, die sich der Spiegel letzte Woche geleistet hat, sofort reagiert. Nun tue ich es eben mit ein wenig Verspätung und was als kleine Sonderreihe für eine Woche gedacht war, setze ich nun fort, weil der Spiegel mir so viel Material liefert, dass die Sonderreihe in ihre zweite Woche geht.

Genießen Sie also zusammen mit mir Teil 7 der „Spiegel-Propagandashow“

Der Spiegel führt die Leser auf die falsche Fährte

Der Spiegel hat aus Anlass des wahrscheinlichen Tests einer Hyperschallrakete durch China einen Artikel zu dem Thema verfasst, der zwar in vielem korrekt berichtet, aber der entscheidenden Frage ausweicht: Warum ist es überhaupt so weit gekommen, dass diese Waffen entwickelt wurden?

Der Spiegel-Artikel hatte zunächst die Überschrift „China und die Hyperschallwaffen – Gegen diese Beschleunigung hilft keine Raketenabwehr„, die dann aber in „Chinas Hyperschallwaffe – »Eine enorme Beschleunigung des Krieges«“ geändert wurde. Schon die in der Einleitung gestellte Frage soll den Leser in die Irre führen:

„Ein mysteriöser Raketenstart in China deutet auf weit fortgeschrittene Experimente mit einer gefährlichen und revolutionären Waffengattung hin, gegen die kein Abwehrsystem wirkt. Droht ein neues Wettrüsten?“

Nein, lieber Spiegel, es droht kein neues Wettrüsten, das Wettrüsten läuft schon lange. Da der Spiegel seine Leser schon zu Beginn des Artikels auf die falsche Fährte setzt, müssen wir uns erst einmal anschauen, wie es dazu gekommen ist, dass nun Hyperschallwaffen entwickelt wurden, was das bedeutet und wer dieses Wettrüsten wie losgetreten hat.

Der Weg zu Hyperschallwaffen: Kündigung des ABM-Vertrages

Der ABM-Vertrag (Anti-Ballistic Missile Treaty, Vertrag über die Begrenzung von antiballistischen Raketenabwehrsystemen), regelte das Verbot einer strategischen Raketenabwehr und wurde schon 1972 abgeschlossen. Der Hintergrund war, verhindern zu wollen, dass eine Seite sich der (falschen) Illusion der Unverwundbarkeit hingeben und so versucht sein könnte, einen Atomkrieg zu beginnen, in der Hoffnung, ihn gewinnen zu können. Das Gleichgewicht des Schreckens sollte aufrecht erhalten werden, denn es garantierte den Frieden im Kalten Krieg. Die perverse, aber funktionierende Logik war, dass keine der Seiten einen Krieg beginnen würde, wenn sie wüsste, dass derjenige, der zuerst schießt, garantiert als zweiter vernichtet werden würde.

Diese Logik hat funktioniert und die Welt damals, trotz aller Spannungen, vor einem Dritten Weltkrieg bewahrt. Der ABM-Vertrag war dazu eine wichtige Säule, denn er verbot es den Supermächten, sich mit Abwehrsystemen gegen einen Atomkrieg zu schützen.

Die USA haben den Vertrag 2002 einseitig gekündigt. Damals war Russland schwach, und die USA meinten, sie müssten keine Rücksicht mehr nehmen. Sie entwickelten ihre strategische Raketenabwehr (offiziell gegen den Iran und Nordkorea), die sie dann aber fernab dieser Länder an der Grenze zu Russland aufstellten. Heute sind die Anlagen in Rumänien und Polen stationiert.

Russlands Reaktion

Als die USA in ihrem Glauben, allen anderen überlegen zu sein, den ABM-Vertrag gekündigt und mit der Entwicklung ihrer Raketenabwehr begonnen haben, hat Putin mitgeteilt, Russland habe nicht die Mittel, auch eine Raketenabwehr zu entwickeln und werde daher asymmetrisch reagieren. Im Westen wurde das belächelt.

Anfang 2018 hat Putin in seiner Rede an die Nation die Katze aus dem Sack gelassen und mitgeteilt, dass Russland demnächst vollkommen einmalige Raketen stationieren werde, die von keiner Raketenabwehr der Welt abgefangen werden könnten. Darunter konnte sich noch kaum jemand etwas vorstellen.

Als Putin jedoch ein Jahr später konkreter wurde, da war klar, dass Russland es als erstes Land der Welt geschafft hatte, Hyperschallraketen zu entwickeln und in Dienst zu stellen. Was das bedeutet, hat das russische Fernsehen danach in einem Beitrag sehr anschaulich gezeigt. Ich habe den Beitrag damals übersetzt, Sie können ihn hier finden.

Das Wettrüsten

Hyperschallraketen fliegen mit mindestens fünffacher Schallgeschwindigkeit und sind damit viel schneller als alles, was es bisher gibt. Eine russische Rakete erreicht sogar 27-fache Schallgeschwindigkeit.

Das Problem ist, dass es keine Technik der Welt gibt, die diese Waffen abfangen kann, denn die bisherigen Luftabwehrsysteme sind darauf ausgerichtet, wesentlich langsamere Flugzeuge und Raketen abzufangen, oder aber Raketen abzufangen, die auf einer berechenbaren ballistischen Flugbahn fliegen. Aber eine Rakete, die schneller ist als das Abwehrsystem und noch dazu lenkbar ist, also keiner ballistischen Flugbahn folgt, kann man mit der heutigen Technik nicht abfangen.

Russland hätte keine Hyperschallraketen entwickelt, wenn die USA nicht den ABM-Vertrag gekündigt hätten. Dass es nun zu einem neuen atomaren Wettrüsten gekommen ist, ist die direkte Folge der Entscheidung der USA aus dem Jahre 2002, den ABM-Vertrag zu kündigen. Die USA haben sich damit gleich mehrmals „ins Knie geschossen“, denn erstens hat Russland nun bei einer wichtigen Technik einen Vorsprung von etwa sechs Jahren und Putin spricht bereits davon, dass Russland bereits Abwehrsysteme gegen Hyperschallraketen haben wird, wenn die USA endlich die ersten Hyperschallraketen entwickelt haben.

Außerdem waren die Milliarden, die die USA in Entwicklung und Aufbau ihrer Raketenabwehr gesteckt haben, für die Katz, denn sie ist nun zu einer hässlichen Dekoration in der Landschaft geworden, die gegen die neuen russischen Raketen vollkommen wirkungslos ist.

Man sieht also, dass der Spiegel seine Leser in seiner Einleitung des Artikels über Chinas (angeblichen) Test einer Hyperschallwaffe in die Irre führt, wenn er mit dem Finger auf China zeigt und fragt, ob nun ein neues Wettrüsten droht. Das Wettrüsten läuft bereits seit die USA den ABM-Vertrag gekündigt haben, aber das braucht der Spiegel-Leser ja nicht zu wissen.

Panikmache beim Spiegel

Der Spiegel-Artikel berichtet zunächst korrekt über den angeblichen chinesischen Waffentest. China bestreitet zwar, dass es einen Hyperschall-Flugkörpers getestet hat, aber der Westen ist sich sicher, dass China einen in ein niedriges Orbit gefeuert und dann getestet hat. Die Daten sprechen dafür, dass der Westen damit nicht falsch liegt.

Nachdem der Spiegel das berichtet hat, schreibt er:

„Hyperschallwaffen gelten derzeit als die begehrteste Rüstungsinnovation überhaupt. Sie sind seit zwei bis drei Jahren »der hot Shit, der alle in Angst und Schrecken versetzt«, wie Christian Mölling sagt, Forschungsdirektor bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Russland hat sie im Arsenal, China offenbar auch, ebenso Nordkorea. Die USA und Frankreich entwickeln sie noch.“

Das soll die „Feinde“ des Westens gefährlicher machen als sie sind, den Lesern soll Angst gemacht werden, dass die bösen Länder alle diese Wunderwaffe haben, nur der arme Westen nicht.

Das ist jedoch nicht wahr, denn bisher hat nur Russland diese Waffen. Sollte das, was China gerade getan hat, ein Test einer Hyperschallwaffe gewesen sein, dann war er nicht allzu erfolgreich, denn die Waffe soll ihr Ziel im 30 Kilometer verfehlt haben. China hat die Waffe also nicht „im Arsenal“, das gleiche gilt auch für Nordkorea, bei dem man anzweifeln darf, dass es bei dieser Technik allzu weit gekommen ist, wenn man bedenkt, dass seine normalen Raketen noch vor zehn Jahren große Schwächen hatten.

Auch die USA haben bereits die ersten Tests von Hyperschallraketen durchgeführt, allerdings waren die Ergebnisse bisher ähnlich wie bei China: Bestenfalls waren es Teilerfolge, von einem wirklich erfolgreichen amerikanischen Test eines Hyperschall-Flugkörpers hat man bisher jedenfalls noch nichts gehört.

Warum Hyperschallwaffen so gefährlich sind

Als es den ABM- und den INF-Vertrag, der atomare Kurz- und Mittelstreckenraketen verboten hat, noch gab, da sah die Gefahr eines Atomkrieges wie folgt aus: Man fürchtete den Einsatz von Interkontinentalraketen, die eine Flugzeit von etwa einer halben Stunde haben. Man hatte also genug Vorwarnzeit, um die Daten zu überprüfen und einen Krieg aus versehen, der auf fehlerhaften Daten beruhte, zu verhindern. Bei Hyperschallraketen reduziert sich diese Vorwarnzeit auf wenige Minuten, was einem keine Zeit mehr gibt, die Daten zu analysieren.

Es besteht also die Gefahr, dass ein Krieg aus Versehen beginnt, weil derjenige, der einen Angriff vermutet, keine Zeit hat, um zu prüfen, ob es sich um einen Fehlalarm handelt. Das beschreibt der Spiegel so:

„Hyperschall-Flugkörper stellten »eine enorme Beschleunigung des Krieges dar«, sie verkürzten die Vorwarnzeiten auf nur wenige Minuten und gefährdeten so laut Mölling die Sicherheit und Stabilität. Weil Menschen durch sie gezwungen seien, Entscheidungen sehr rasch zu treffen, steige mit ihnen auch das Risiko des versehentlichen Krieges. »Das macht diese Waffen so gefährlich«, erzählt der Experte.“

Die US-Raketenabwehr

Das Problem ist, dass diese Situation bereits ohne die Hyperschallraketen bestand, zumindest für Russland. Das lag an der sogenannten US-Raketenabwehr, die kein defensives System ist, wie der Name vermuten lässt, sondern ein aggressives. Der Grund ist, dass die Raketenabwehr als Startrampe das System MK-41 nutzt. Dieses System ist universell einsetzbar und kann sowohl Abwehrraketen abfeuern, als auch Tomahawk-Marschflugkörper, die wiederum atomare Sprengköpfe tragen können. Damit wird das US-Raketenabwehrsystem gleichzeitig zu einer Angriffswaffe, mit der man Marschflugkörper in unmittelbarer Nähe der russischen Grenze starten kann, die innerhalb von 10 bis 12 Minuten fast jedes Ziel in Russland mit Atomwaffen angreifen können.

Russland war also auch deshalb gezwungen, irgendwie auf die Gefahr zu reagieren, denn nachdem die USA den INF-Vertrag gekündigt hatten, haben sie auch jedes Angebot Russlands abgelehnt, solche Marschflugkörper in unmittelbarer Nähe der russischen Grenzen in Europa zu stationieren. Die Details über früheren atomaren Abrüstungsverträge, die die USA einseitig gekündigt haben, finden Sie hier.

Niemand will Abrüstungsverträge?

Dann lässt der Spiegel US-Vertreter zu Wort kommen:

„»Wir wissen nicht, wie wir uns gegen diese Technologie verteidigen können«, sagte jetzt in der Uno-Stadt Genf der Ständige Vertreter der USA für Abrüstungsfragen, Robert Wood. »Die Russen wissen es aber auch nicht, ebenso wenig die Chinesen«. Laut Wood sind die USA »sehr beunruhigt« über den chinesischen Vorstoß, allerdings hoffe er, dass diese neue Technologie rasch mit internationalen Abkommen gezügelt werden kann.
Neue Kontrollmechanismen hält auch Mölling für angezeigt, aber dennoch einstweilen für unerreichbar: »Man braucht sie, man kriegt sie aber nicht.« Keiner der Beteiligten sei derzeit bereit, sich des Vorteils berauben zu lassen, den er gerade entwickelt hat. Die USA lägen weit hinter Russland und China, was ihre eigenen Fähigkeiten bei Hyperschallwaffen anbelangt.“

Keiner der Beteiligten ist bereit, Kontrollmechanismen, also Abrüstungsverträge, zu schließen? Das ist gelogen, denn Russland bietet das an, seit die USA den INF-Vertrag gekündigt haben und Russland ist auch bereit, seine Hyperschallwaffen in diese Verträge einzubeziehen, obwohl das Russlands derzeitigen Vorteil schwächen würde. Putin hat das immer wieder angeboten, wie man in vielen von mir übersetzten Interviews und Reden von Putin sehen konnte, als Beispiel können Sie hier eine Antwort Putins auf eine Journalistenfrage aus dem Jahr 2019 finden.

Fazit

Der Spiegel verschweigt seinen Lesern, wo die Wurzeln des Problems liegen, nämlich in den USA, die fast alle Abrüstungsverträge einseitig gekündigt und damit die Länder, die sie zu Feinden erklärt haben, gezwungen haben, in ein einseitig von den USA provoziertes Wettrüsten einzusteigen. Das soll der Spiegel-Leser aber nicht wissen, weshalb der Spiegel Putins Abrüstungsvorschläge verschweigt und stattdessen seinen „Experten“ und den Vertreter der USA zitiert, die fröhlich lügen und behaupten, niemand sei zu solchen Schritten bereit. Dabei sind die einzigen, die dazu nicht bereit sind, die USA, aber das weiß der Spiegel-Leser ja nicht.

Ein weiteres Mal zeigt sich:

Spiegel-Leser wissen weniger!

Quelle: Anti-Spiegel